gen Osten,  Balkan

Budapest

28./29.3.2023

„Vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer, nirgendwo ist die Donau von Menschenhand großzügiger, prächtiger und würdiger eingefasst wurden als von Budapest.“ 

Ungefähr 40 Kilometern nach der Grenze durchfließt die Donau Budapest, die Hauptstadt Ungarns, die mit etwas mehr als 1,7 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt an der Donau nach Wien ist. Sie ist flussabwärts die letzte Stadt, die beidseitig der Donau liegt. Hier erreicht der Fluss eine Breite von 400 bis 500 Metern. Gemächlich zieht das silberne Band durch die Stadt, neun prachtvolle Brücken verbinden die beiden Stadtteile. Der Strom prägt die Wesensart der Stadt, Budapest wendet ihr sein Gesicht zu, wie kaum eine andere Metropole.

Ich habe vor zwei Tagen eine Zusage von Flora bekommen, dass ich bei ihr übernachten kann. So freue ich mich auf die Begegnung und auf die erste warme Dusche seit fast zwei Wochen. Der Weg in die Stadt ist ein toller Einstieg in die nächsten drei Tage: der Fluss ist einfach überwältigend! Idyllische Pfade winden sich am Ufer entlang, die – noch geschlossenen – Freizeitanlagen wie Imbisse, Strandbäder, Biergärten häufen sich. Und schwupps, bin ich im Zentrum.

Ich fahre über meine erste Brücke und nehme einen kleinen Schlenker über die Margareteninsel, die inmitten der Donau zwischen den Stadtteilen Buda und Pest liegt. Auf der autofreien Insel gibt es neben Parkanlagen, Radwegen und Joggingstrecken einen Jugendstil-Wasserturm, einen kleinen Zoo, Thermal- und Schwimmbäder sowie die Ruinen eines dominikanischen Nonnenklosters aus dem 13. Jahrhundert. Diesem versprach König Bela IV. seine Tochter Margarete bei einem Sieg gegen die Tartaren, deshalb der Name der Insel! Im Sommer gibt es hier Pop-up-Bars und -Restaurants sowie Konzerte im Freien. Früher kostete es Eintritt, die Insel zu betreten, doch seit 1945 kann man die Insel kostenfrei besuchen. Besonders in den 1980er Jahren nutzten viele junge Leute aus der DDR, die per Anhalter durch den Ostblock reisten, die Grünanlagen der Insel zum illegalen Übernachten. Ich mache es ihnen nicht nach, sondern fahre über weitere Brücken am Gellertberg mit der Zitadelle samt Freiheitsstatue vorbei nach Buda zu Flora.


Nach einem Abend mit genüsslichem Bad, gewaschener Wäsche und leckerer Kohlpfanne gefolgt von einer kleinen Tour durch das nächtliche Budapest und einer warmen Nacht, mache ich mich am nächsten Tag auf, die Stadt zu erkunden. Die erste Free-Walking-Tour führt mich vom Heldenplatz über das Parlament samt Schuh-Mahnmal bis zur St. Stephan-Basilika. Ich lerne viel über die Geschichte: Dass sich die Ungarn (Magyaren) hier im Jahre 896 nieder ließen, dass deshalb die Basilika und das Parlament beide 96 Meter hoch sind – gleichhoch als Symbol für die Gleichberechtigung von Kirche und Staat! (Nur in den Zeiten des Kommunismus stand ein roter Stern auf dem Parlament.) Kein Gebäude in der Stadt durfte höher sein, deshalb gibt es hier auch keine Hochhäuser. Dass im Jahr 1000 der erste ungarische König gekrönt würde, St. Stephan I., dass sich seitdem Kriege, Belagerungen und Bestetzungen fast nahtlos aneinander reihten, bis am Ende alles zerstört war, dass der Kommunismus den Wiederaufbau stark verzögerte, warum es noch viele deutsche Beschriftungen gibt und vieles mehr …

Die lange leerstehenden Gebäude führten übrigens zu einer weiteren Besonderheit Budapests: den Ruin-Bars! Leerstehende, z.T. zerstörte Gebäude wurden mit Sperrmüll möbliert und zu Bars und Clubs umfunktioniert und zu beliebten Treffpunkten der Jugendszene. Inzwischen sind die natürlich so berühmt und „in“, dass viele Lokations absichtlich ruinös-hipp mit scheinbarem Sperrmüll gestaltet werden.

Das Mahnmal „Schuhe am Donauufer“, befindet sich seit 2005 in der Nähe des Parlaments. Die 60 Schuhpaare erinnern an Tausende von ungarischen Juden, die sich während des Zweiten Weltkrieges am Donauufer aufstellen mussten, erschossen wurden, in die Donau stürzten und mit der Strömung davontrieben. Zurückgeblieben sind damals nur ihre Schuhe, die sie vor ihrer Tötung auszuziehen und zurückzulassen hatten, da in Ihnen oft Wertsachen versteckt waren.

Budapest ist wirklich eine Weltstadt, eine Künstlerstadt, oft besungen und ebenso oft mit den verschiedensten prosaischen Bezeichnungen bedacht. Eine Stadt, die jede:n Besucher:in wie auch mich unweigerlich ins Schwärmen geraten lässt. Budapest ist durch die vielen Zerstörungen in ihrer heutigen Form nicht mehr als 100 Jahre alt, verströmt aber aus jeder Pore den vergangenen Glanz der Monarchie. Als ursprüngliche Schwesterstadt von Wien, Metropole der ungarischen Reihshälfte, behauptet sie bis heute stolz ihre Stellung inmitten eines Staates, in dem sich die politischen Systeme rascher als anderswo abgewechselt haben. Viele halten sie für eine der schönsten Städte der Welt. Budapest ist weit mehr als nur die größte unter den ungarischen Städten, die zweitgrößte (Debrecen) hat nur ca. 200.000 Einwohner. Die Stadt mit den zweitmeisten Ungar:innen ist übrigens London!

Schon vor mehr als 2000 Jahren haben die Römer hier eine Stadt gebaut. Juristisch gesehen erfolgt die Stadtgründung aber erst 1873 durch die Vereinigung der drei bis dahin unabhängigen Städte Pest, Buda und Obuda. Nach der Eroberung durch die Türken war Buda Sitz eines Paschas und aus den zahlreichen Badehäusern, die die Römer hinterlassen hatten, wurden die berühmten türkischen Bäder. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es zum wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung, wobei Buda rasch von Pest überholt wurde, das 1848 zum geistigen und politischen Mittelpunkt des Landes wurde. Die Zeit wurde die Stadt von einem starken Trend zum Neuen erfasst. So eröffnete Budapest z.B. 1896 die erste Untergrundbahn auf dem europäischen Kontinent.

Einer der Hauptgründe für den Aufschwung Budapests war die Existenz einer Brücke im Sommer, welche aus aneinander befestigten Booten bestand. Die Kettenbrücke (ungarisch Széchenyi Lánchíd) überspannte hier in Budapest die Donau. Sie wurde in der Zeit von 1839 bis 1849 als erste feste Brücke auf Anregung von Graf Széchenyi erbaut, der wegen Eisgang auf der Donau kein Boot benutzen konnte und eine Woche lang warten musste, um zum Begräbnis seines Vaters ans andere Ufer zu kommen. Den ungarischen Namen trägt sie ihm zu Ehren. Sie ist die älteste und bekannteste der neun Budapester Brücken über die Donau.

Nach einer Mittagspause im warmen Café ging es wieder in die sonnige Kälte, diesmal auf den Burgberg auf der anderen Seite der Donau. Auch hier reiht sich ein prächtiges Gebäude an das andere. Der Berg ermöglicht tolle Aussichten und Fotos auf das andere Ufer.

In manchen Hausfassaden sieht man historische Fensterbögen, Türeingänge u.ä., eingebaut ohne Funktion. Warum? Es gab ein Gesetz, dass alles, was an historischen Gebäudeteilen gefunden wurde, zu verbauen ist. Da oft kein Geld vorhanden war, stecke man es einfach in die Fassade – manchmal warf man es auch auf ein anderes Grundstück, dann mussten die es verwerten!

Die Matthiaskirche nutzten die Türken während der Besetzung als Moschee und malten sie innen weiß über. Dies bewahrte die alten Malereien vor dem Verfall. Was für ein Glück! Budapest ist mehrfaches UNESCO Weltkulturerbe, na klar. Ich bin beeindruckt und überwältigt – mal wieder. ein Highlight an der Donau folgt auf das andere. Was wohl noch kommen mag?

Abends sitzen wir in der Wohnung zusammen, kochen gemeinsam und erzählen. Flora und Vazul reisen auch mit dem Fahrrad. Wir alle freuen uns über den Austausch.


Morgens kocht Vazul Porridge, ihr bewährtes Fahrrad-Frühstück. Wir verabschieden uns herzlich. Nach einem weiteren halben Tag in der Stadt voller Schauen, Staunen und Schlendern gehe ich zur Post, um die abgefahrenen Karten und Führer nach Hause zu schicken. Eine riesige Halle erwartet mich, ich muss eine Nummer ziehen und lange, lange warten. Schließlich zahle ich für den dicken Brief ca 15€. Egal, dann hat sich das Anstehen wenigstens gelohnt! Als ich hinaus komme, regnet es. So fahre ich eine Stunde durch leichten Regen, das macht den Abschied leichter. Am Ufer der alten Donau finde ich ein Platz für mein Zelt. Am nächsten Morgen weckt mich die Sonne!

3 Kommentare

  • Irene de Vries

    Danke für den unglaublich interessanten Reisebericht.
    Ich freue mich, dass ich in Gedanken dabei sein darf !
    Liebe Grüße aus Norden, Irene de Vries

  • Kathrin

    Ich hatte mir damals ein Bad in einem der berühmten Jugendstilbäder gegönnt, herrrlich! An die eine Prizessin kann ich mich auch erinnern, die andere stand damals nicht dabei 🤔😉 Danke für die wunderbaren Reiseeindrücke!

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