Die Donau in Bulgarien
13.-20.4.2023
Die Donau ist für Bulgarien die ganze Zeit Grenzfluss. 400 Kilometer lang bildet sie die Grenze zu Rumänien. Die Donau ist zwar der einzige schiffbare Fluss Bulgariens, hat aber verkehrstechnisch nur regionale Bedeutung für diesen dünn besiedelten Landesteil. Ich bleibe die ganze Zeit rechts vom Fluss und benutze weder eine der beiden Brücken noch eine der wenigen Fähren. Hier ist es hügeliger, auf der anderen Seite legen nur weite Felder, die Strecke dort verläuft meist weit entfernt zum Fluss. Diese Entscheidung habe ich die ganze Woche nicht betreut, die Strecke war einfach traumhaft!
Die erste Stadt ist Vidin, schnell bin ich wieder hinaus, so groß ist sie gar nicht. Doch vorher fällt mir auf, wie friedlich hier auf nicht einmal 500 Metern eine Synagoge, eine Moschee und eine orthodoxe Kirche stehen. Des weiteren gibt es in der Stadt viele Betonwohnblöcke. Ich sehe Hunde, die an der Leine ausgeführt werden (das sieht auf einmal ganz fremd aus…). Die Kyrillische Schrift ist hier weiterhin zu lesen. Und ich erlebe die erste Zeitumstellung (von der Sommerzeit abgesehen)! Das bedeutete für einige Tage ein wenig umdenken, wann ich abends aufhören muss zu fahren, um noch im Hellen einen Schlafplatz zu finden.
Auch in Bulgarien sind die Felder größer, der Himmel immer noch gigantisch weit.
Dicht an der Donau liegt eine kleine Hügelkette. Es ist wunderbar, mal wieder die Ausblicke zu beiden Seiten genießen zu können. In weiten Abständen liegen Dörfer und kleine Städtchen an der sehr ruhigen Straße. Der Belag ist asphaltiert, mit vielen Schlaglöchern. Ab und zu kommt ein Auto vorbei, ab und zu ein Pferdewagen mit frisch geschnittenen Gras. Ich genieße es allein in der Landschaft zu sein. Die Weite lässt meinen Kopf weit werden! Die Höhenmeter bereiten keine Mühe, die Übersetzung meiner Schaltung stimmt. Beim langsamen Hügel-Hinaufkurbeln habe ich Zeit – zum Schauen, zum Denken und zum Träumen. Belohnt werde ich durch einen herrlicher Ausblick auf die Donau und deren anderes Ufer, auf weite Wiesen und Felder in Rumänien, die braune Erde durchbrochen durch Traktorspuren, wie mit dem Lineal gezogen. Sie lässt mich neugierig werden, was hier wohl einmal wachsen wird.
Es ist deutlich wärmer geworden. Ich fahre meist in kurzer Hose, Eidechsen laufen über die Straße. Nur morgens und abends trage ich meine Jacke. Meine Pausen tagsüber werden länger, ich freue mich schon auf mein erstes Sonnenbad!
In den Dörfern grüßen mich Kinder mit lautem „hello, hello!“. Die Hunde begrüßen mich mit lautem Gebell und begleiten mich vom ersten bis zum letzten Haus. Viele Menschen weisen mir den Weg, sie wirken noch offener und freundlicher als in Serbien. Circa zweimal am Tag bekomme ich Nachrichten, wenn mein Handy mal wieder vom bulgarischen ins rumänische Netz oder zurück gewechselt ist.
Am Abend habe ich eine Unterlegscheibe im Gras verloren – die ich doch an einen so sicheren Ort gelegt hatte! Auch am nächsten Morgen bleibt sie trotz intensiver Suche verschwunden. Ich improvisiere mit zwei selbstgebastelten aus Plastik (leere Flaschen liegen hier ja immer genug herum…) und starte meine Fahrt. Im nächsten Dorf hat das erste Haus links gleich eine Werkstatt in der Garage. Autos in verschiedenen Reparatur-Zuständen stehen davor. Itzko grüßt mich sofort und übernimmt das Zepter. Ich versuche ihm zu erklären, was ich brauche. Er winkt ab und sagt (auf Bulgarisch): „ich brauche Ruhe zum Arbeiten!“ Dann kommt Manuela, seine Frau, wie können uns gut verstehen, da sie das Deutsche Gymnasium in Montana besucht hat. Irgendwann kann ich mit ihrer Hilfe Itzko deutlich machen, dass er nichts reparieren soll, sondern ich nur eine neue Unterlegscheiben brauche. Danach ist es ganz einfach, er holt seine große Kiste und ich darf kramen, finde zwei, die ungefähr so dick sind wie meine alte und wir beide sind glücklich! Zum Abschied schenkt mir Manuela ein bulgarisches Andenken mit der Aufschrift „Gesundheit“.
In Swischtow erreicht die Donau ihren südlichsten Punkt, von hier an fließt sie allmählich nordwärts. Hier gibt es keine großen Städte, keine Uhrzeit, nur Ruhe. Morgens weckt mich die Sonne. Ich bin ausgeschlafen – endlich mal wieder! Stehe auf, gehe in den Fluss – das Bad wird immer länger, je wärmer es wird. Ein kleines Frühstück, ich packe meine Sachen, freue mich auf den Tag und fahre der Sonne entgegen. Häufige kleine Stopps gibt es für Fotos, die Einkaufsmöglichkeiten in jedem Dorf („Magazin“) bieten Gelegenheit für eine etwas längere Pause. In den kleinen Märkten kaufe ich Gemüse und ab und zu gibt es größere Supermärkte (Kaufland, Carre four) oder einen dm-Laden, der ein ähnliches Bio-Lebensmittelangebot hat wie bei uns. Nachmittags überlege ich mir, wo ich wohl die Nacht verbringen werde und schaue auf meiner Karte und der App maps.me nach einem geeigneten, ruhigen Platz am Wasser. Meist komme ich erst in der Dämmerung an, hänge meine Hängematte auf, koche mir mein Essen, denke an den Tag zurück und bin zutiefst dankbar, dass ich hier sein darf! Immer noch dankbar für die Freiheit reisen zu können, immer noch dankbar für die geregelten Umstände zuhause, die mich recht sorgenlos fahren lassen, dankbar für so vieles mehr! Dann liege ich auch schon im Schlafsack, sanft gewiegt mit Blick in die Sterne und schlafe schnell ein.
Eines Nachmittags treffe ich Simone, Alexander und Boris wieder. Am ersten Tag in Bulgarien stoppte ich bei Radfahrern mit Gepäck und war freudig überrascht, dass es Bulgaren waren! Sie kommen aus Sofia und machen eine viertägige Testtour an der Donau, um sich auf ihre große Reise im Mai durch Europa vorzubereiten. Aus mir nicht verständlichen Gründen bin ich mit meinem vollgepackten Stahlrad schneller als sie mit ihren leichten Crossern und Mountainbikes, so dass wir uns die Tage immer wieder begegnen. Wir verabreden uns zum Übernachten, treffen uns abends am Strand zum Feuer und teilen Erfahrungen, Wein und Kekse. Für sie ist dieser Teil des Landes ähnlich fremd wie für mich. Sofia sei ganz anders, sagen sie mehrfach. Das erinnert mich mal wieder daran, dass man nicht zu schnell von einem kurzen Eindruck auf das ganze Land schließen darf.
Neben der Landschaft, von der ich gar nicht genug bekommen kann, und den jetzt lebenden Menschen begegnet mir auch immer noch viel Kultur von vergangenen Generationen und Zeitaltern. Für manches mache ich gerne kleine oder auch größere Schlenker. So zum Beispiel für die Besichtigung des beeindruckend gut erhaltenen römischen Lagers „Colonia Ulpia Oescus“. Die Steine liegen hier einfach so herum. Kein Zaun, kein Eintritt, nur einige verblichene Schilder.
Auf der Strecke durch den Nationalpark Rusenski Lom, entlang der Schlucht Cherni Lom komme ich auch dazu, die Höhle Orlova Chuka und das Felsenkloster „St. Dimitrij Basarbovski” zu besichtigen. Die Höhle ist mit 13km die zweitlängste des Landes, seit 1941 entdeckt und seit 1952 öffentlich zugänglich. In ihr sieht man nicht nur wunderbare Gestein-Formationen sondern auch Knochen von Urmenschen. Die unterhaltsame Führung auf bulgarisch, rumänisch und französisch hat sich sehr gelohnt! Das Kloster ist das einzige noch tätige Felsenkloster in Bulgarien.
Tagelang fuhr ich nun über diese tolle Straße, sehr einsam, mit wundervollen Ausblicken, standig hoch und runter – die letzte Eiszeit hat ihre Spuren hinterlassen. „Donautiefebene“ sag ich nur noch ironisch. 800 Höhenmter am Tag sind keine Seltenheit. Hier verbirgt sich inmitten der sonst so flachen Donau-Ebene eine erstaunlich vielgestaltige Naturwelt in tief mäandrierten Schluchten durch bis zu 100 m hohen Kalkfelsen.
Und dann kommt er, von vielen Menschen prophezeit: der Regen! Ich packe wieder lange Hose und Handschuhe aus, genieße es darunter – innen drin – trocken und warm zu sein. Das Fahren im Regen ist noch meditativer als in der Sonne, ich verkrieche mich in meine Kapuze und meine Gedanken. Mit gleichmäßigem, unangestrengtem Tritt ziehen Kilometer um Kilometer an mir vorbei. Nahezu problemlos finde ich Regentage, wenn ich morgens und abends eine trockene halbe Stunde zum Zeltauf- und -abbau habe. Ist erst mal alles verpackt, finde ich Regen nicht schlimm. Und wenn dann zwischendurch der Himmel aufreißt, und die Wiesen im frischgewaschenen Grün leuchten, denke ich: was für ein Geschenk!
In Russe kann ich mich mal wieder nicht entscheiden: Eigentlich wollte ich hier auf die andere Seite der Donau nach Rumänien wechseln. Doch da es bisher in Bulgarien so schön war, die Strecke nach der Landkarte drüben nicht einladender wirkt und ich in 120 km eh nach Rumänien fahren werde, bleibe ich noch ein wenig hier, im schönen Bulgarien.
Der Tag führt mich über eine etwas belebtere Straße, doch die Aussichten bleiben so schön wie die letzten Tage. Die Einfahrt nach Silistra ist dann wieder fast so voll wie die Ausfahrt von Russe: LKW an LKW – kilometerlang stehen sie auf der einen Spur. Die Gegenseite wird sich von den PKW in beiden Richtungen – und mir – geteilt und führt mich nach Rumänien! Kurz vorher verschenke ich noch das Bilderbuch, das ich an der Straße gefunden hatte. Dank diesem und der Straßenschilder in beiden Schriften kann ich nun wieder fließend Kyrillisch lesen.
5 Kommentare
Dieter
Liebe KAHO;
danke für die schönen, übermütigen Bilder.
Deine Eindrücke müssen wunderbar sei und es begeistert mich wieder, wie fröhlich du deine Tour genießen kannst. Ich wünsche dir weiterhin fröhliche Begegnungen und faszinierende Landschaften
Liebe Grüße, mit einem ..pass schön auf dich auf…, Dieter.
Michael Weisker
Wieder mal ein sehr schöner Bericht mit schönen Bildern. Mit Itzko scheinst du ja zum Glück einen entfernten Zweig der Ludolfs getroffen zu haben😉 Weiterhin gute Fahrt! Mittlerweile befürchte ich, du kommst nicht mehr zurück😉
Papa
Du hast gut daran getan, auf der rechten Donau Seite zu bleiben. Ufke und ich sind links durch die Walachei gefahren und dort war es sprichwörtlich verlassen (aber fruchtbar). Vor 35 Jahren hat sich auch der Haken über Bukarest nicht gelohnt. Damals gab es übrigens auch noch einen gewissen Herrn Ceaușescu (bis 1989).
Richard
Hallo Anke,
Wahnsinn, was Du alles bringst. Und die Fotos!! Dein Schreibstil gefällt mir. Fast schon philosophisch. Klasse.
Und die Fahrt im Regen.
Viele liebe Grüße
Richard
Gudrun Bamberg
Hallo Anke, viele liebe Grüße von Gudrun