Die Donau in Rumänien
21.-23.4.2023
Auf 1075 Kilometern, über ein Drittel ihrer Gesamtlänge, fliest die Donau (rumänisch: Dunărea) an oder in Rumänien. Das ist der längste Abschnitt aller Anrainerstaaten. Die Donau ist anfangs ihr Grenzfluss zu Serbien, dann zu Bulgarien. Nach einer Richtungsänderung nordwärts ist sie rumänischer Binnenfluss, um später Grenzfluss zur Republik Moldau (Moldawien) und zur Ukraine zu werden und schließlich über das Donaudelta ins Schwarze Meer zu münden. Ich bin ja lange in Bulgarien verblieben, so dass ich nur die 374,1 Kilometer des rechtsseitigen rumänischen Donauufers verfolge. Und selbst die nicht ganz, da ich einen Ausflug durch Moldawien und die Ukraine plane.
Nach der Grenze bin ich sehr überrascht: nagelneue Straßen – glatt asphaltiert -, frisch sanierte Klöster, Andenkenstände an der Straße. ‚Was ist in Rumänien los?‘ ‚Warum ist es hier so anders?‘, frage ich mich.
Am nächsten Tag fahre ich kilometerlang auf einer Schotterpiste, die irgendwann in einen schlammigen Feldweg übergeht. Nur Pferdewagen kommen mir entgegen. Hier fährt keiner sein Auto lang! Vor jeder Siedlung wehen Plastiktüten über wilden Müllkippen rechts und links vom Weg. In den Dörfern ist die „Hauptstraße“ asphaltiert, die Verbindungen zwischen den Siedlungen sind wie vorher beschrieben.
Wie mir schon in Bulgarien beschrieben wurde, ist der Unterschied zwischen den Städten und den entfernten Landgegenden sehr groß. Auch in Deutschland ist dies so, ein kleines Dorf in Sachsen, in Ostfriesland, in Bayern sieht nicht so aus wie Berlin oder Hamburg oder München. Und auch in anderen Dingen sollte man sich hüten, von kleinen Eindrücken vorschnell auf das Ganze zu schließen…
Was ist nun wirklich anders in Rumänien? Ein Unterschied der sofort ins Auge springt, ist die Schrift. Ich vermisse das Kyrillische. Es war sehr einfach zu lesen (wenn man denn die Buchstaben kennt): ein Buchstabe – ein Laut. Das rumänische scheint mir dem Französischen recht ähnlich zu sein – doch ich spreche kein Französisch!
Auch sehr augenscheinlich stechen die Friedhöfe – nun weiß statt schwarz – hervor, auf ihnen stehen hier Kreuze statt glänzender Marmorplatten.
Was bleibt, ist das hügelige Auf und Ab – mal berauschende Ausblicke, mal geht es hinab ans Ufer für einen Schlafplatz mit morgendlichen Bad. Und die Weite! Und der Himmel! Ich hoffe, ihr habt die Bilder davon noch nicht über… Auf dem kleinen Handy-Bildschirm ist nicht immer klar, welches die besten Aufnahmen sind. Und ich selber kann mich gar nicht genug daran berauschen!
Ich fahre hier zum ersten Mal nach Norden. Bei Cernavodă ist der Donau–Schwarzmeer-Kanal abgezweigt. Er verkürzt den Weg der Donau zum Schwarzen Meer um etwa 370 km (bzw. die Strecke Cernavodă-Constanța um 450 km). Erste Ideen zum Bau eines solchen Kanals gab es schon seit 1837. Erst 1949 starteten jedoch die ersten Bauarbeiten, wobei vor allem viele deutschstämmige und politische Häftlinge zum Einsatz kamen. Bis zur Fertigstellung 1984 wurden etwa 300 Millionen Kubikmeter Erdreich bewegt (was etwa der doppelten Menge des Panamakanals entspricht). Neben wirtschaftlichen ging es bei diesem Bau auch viel um Prestigegründe. Im Gegensatz zur Donau, die der gemeinsamen Kontrolle der Anliegerstaaten (inklusive damals der Sowjetunion) unterliegt, untersteht der Kanal gänzlich der Souveränität Rumäniens.
Ich hatte mich vor einiger Zeit für die Fahrt zum Donau-Delta entschieden, möchte die Donau bis zum letzten Meter, bis zur Mündung begleiten. In der letzten Woche war in mir auf einmal dann doch die Stimme des Vorankommens präsent: Schnell ans Meer! Schnell nach Varna, zu meinem Paket von zu Hause! Schnell nach Istanbul, schnell in die Türkei! Lukas, mit dem ich seit der Grenze von Serbien nach Bulgarien Kontakt hatte, bog schon vor einiger Zeit nach Süden ab, um „Zeit zu sparen“.
Doch ich bin sicher, dass der Wert meiner Reise darin besteht, im Hier und Jetzt zu sein. Nicht im „an Morgen und nächste Woche denken“. Am Genießen jedes Blicks und jeder Kurbelumdrehung. Wirklich hier zu sein, das Erzählen der Vögel zu hören, die Wärme der Sonne und die Kühle des Windes auf der Haut spüren, den Duft der Kräuter zu riechen, im Mund noch den Geschmack vom letzten Essen, im Sinn das Jetzt, im Herzen Dankbarkeit und tiefe Freude und tiefe Zufriedenheit!
Den Abstecher nach Bukarest spare ich mir jedoch. Nach meiner Erfahrung in Belgrad glaube ich, dass mich diese Stadt nicht begeistern würde. Die nächste Großstadt wird Istanbul sein!
Auf diesem Teil meiner Reise ist es nun oft so richtig einsam! Bis zum Horizont sehr ich nichts Menschliches – außer der Straße unter mir. Gras, Büsche, Hügel, in der Ferne eine Bergkette.
Für das Delta habe ich mir eine mehrtägige Schiff-Fahrrad-Kombination überlegt. Das erste Schiff fährt täglich in Tulcea ab – bis auf Dienstag. Wenn ich mir die nächsten Kilometer anschaue, komme ich direkt am Dienstag dort an. Was tun? Die nächsten zwei Tage mich sputen? Nein, ich bleibe bei mir, meinem Tempo, bei meinem Rhythmus. Es wird sich etwas ergeben. Vielleicht fährt ein anderes Boot? Oder mir begegnet etwas anderes in Tulcea. Oder ich komme doch am Montag oder Mittwoch an. Wer weiß? Ich nicht! Aber ich weiß, es wird gut und richtig sein!
Vor den kleinen Einkaufsläden („Mix-Magazin“) sitzen in dieser Gegend oft Männer, sie reden und trinken Bier, egal zu welcher Tageszeit. Freundlich grüßen sie, ein Gespräch ist meist nicht möglich, da wir jeweils die Sprache des anderen nicht verstehen. In einem Dorf kommen einige Jüngere nach meinem Einkauf auf mich zu und sind stolz auf ihre Sprachkenntnisse: „Do you speak englisch?“ Ja, das tue ich. Sie aber nicht mehr als diesen Satz 🤷 – Italienisch, Holländisch, je nachdem wo die gearbeitet haben, geht zumindest etwas. Ich nutze die Gelegenheit und versuche nach einer Gas-Kartusche zu fragen: „Gas – Buthan – piccolo!“ denn große gibt es hier überall, aber keine kleinen für meinen Kocher. Irgendwann kommt Christian, jemand wusste, dass er Fremdsprachen kann und holte ihn. Und wirklich, er sprach recht gut deutsch, als Schausteller („Karussell“) war er natürlich sogar schon in Hannover gewesen! Nun geht es schnell: er weiß, wen er zu fragen hat um das Gebäude neben dem Markt zu öffnen. Dort sind Farben, Werkzeuge und – eine Gas-Kartusche für mich! Die bezahle ich dann wiederum im Markt. Fotos werden gemacht, Siftcan, der Christian geholt hat, ist stolz auf seine gute Idee und ich bin glücklich und entspannt wegen des Gasvorates für weitere 2 Wochen.
In Măcin spricht mich ein weiterer Christian an, er ist hier aufgewachsen, gerade zu Besuch bei seinen Eltern. Nach dem Begutachten meines Fahrrades gibt er mir im Gespräch wertvolle Tipps für die Fahrt durch die Ukraine und später für das Delta. Mit der Fähre geht es dann nach Brăila. Mehrere Kilometer vorher stehen schon wieder LKW auf der Straße. Als die Fahrt über den Fluss hinter mir liegt, ahne ich warum. Die Fähre hat die Öffnung zum Auf- und Abfahren nicht vorne und hinten, sondern an den Längsseiten. Das macht das Anlegen leicht, für die langen LKW jedoch ist das Rangieren auf dem Deck nahezu unmöglich, so dass wir höchstens halb voll übersetzen. Vielleicht aber auch besser so, denn auch jetzt liegt das Schiff schon bedrohlich tief im Wasser.
Brăila (gegründet 1368) war unter der Herrschaft der Türken (1538 bis 1828) ein Zentrum des Islam in der Walachei und als Zwischenlager der an das Osmanische Reich gezahlten Tribute, mehrfach Angriffsziel für Überfalle. 1828 kapitulierte die Stadt im Russisch-Türkischen Krieg vor der russischen Armee. Seit 1829 gehörte Brăila wieder zur Walachei, seit 1859 zu Rumänien.
Die gut erhaltene Altstadt der elftgrößten Stadt Rumäniens liegt auf einem flachen Plateau am Ufer der Donau. Das Labyrinth schmaler Straßen, uriger Wohnhäuser und alter orthodoxer Kirchen rund um den zentralen Traiansplatz ist von Neubauten weitgehend verschont. Um die Altstadt mit Fußgängerzone und Stadtpark schließen sich halbkreisförmig konzentrisch angelegte Boulevards aus dem 19. Jahrhundert. Auf Stadtplänen ähnelt Brăila dadurch einem riesigen, zur Donau hin geöffneten Amphitheater.
Am 15. Januar 2018 wurde der Vertrag zum Bau einer Donaubrücke bei Brăila unterzeichnet. Sie soll nach ihrer Fertigstellung die drittgrößte europäische Brücke ihrer Art sein. Noch ist sie nicht befahrbar… Ich bin gespannt, wie die Baustelle des Schnellweges in Döhren aussieht, wenn ich nachhause komme!
Nun aber geht es erstmal an langen LKW-Schlangen vorbei in die Republik Moldau!
4 Kommentare
Herbert Bastian
Hallo Anke,
tolle Bilder, schön zu lesende Reisebeschreibung und wunderbare Eindrücke, ich bin über die Maßen begeistert.
Vor allem das Grundthema „im Hier und Jetzt zu sein und einfach unterwegs“ fasziniert mich.
Ich wünsche Dir weiterhin einen „guten“ Weg.
Herzliche Grüße
Herbert
Camelia Müller-Eberstein
Hallo Anke, nach unserer Treffen in Jurilovca, sind mein Mann und ich gestern mit dem Boot nach Gura Portitei gefahren; der starke Wind hat nachgelassen und bei ruppigem Wellengang und Wasser ins Gesicht haben wir das Schwarze Meer erreicht. Auch die archäologische Stätte Argamom bei Jurilovca- die älteste Siedlung Rumäniens-aus dem 7. Jh v.Christus hat uns tief beeindruckt, um so mehr, dass wir den ganzen Weg zu Fuß gemacht haben, an den tiefgelben Rapsfelder vorbei und auf der anderen Seite Wasser und Schilf, Wildgänse, Pelikane und gefühlt Milliarden Insekten die aus den Büschen in die Luft sprangen.
Nun, sagen wir der Donau“ la revedere“ bis zum nächsten Mal, und sind mit ( zum Glück auch heute, am Sonntag fahrendem) Bus nach Constanta und Zug nach Bukarest, am intensivsten ist uns der Geschmack des vielen, vor Ort geangelten Fisches, mit der obligatorischen frischen Knoblauchpaste geblieben und schöne Begegnungen, manche ganz exotisch, wie du!
Liebe Grüße von Camelia und Folkert
KAHo
Gutes Heimkommen! Ich wünsche euch, dass die Erinnerungen lange präsent bleiben!
Michael Weisker
Es kann nicht genug Weite geben, also ruhig mehr Bilder😉