gen Osten,  Balkan

Die Donau in Ungarn -Süd

31.3.-1.4.2023

Nach drei Tagen Budapest geht es nun wieder los. Auf dem weiteren Weg der Donau befinden sich in Ungarn nur noch wenige Ortschaften direkt am Fluss. Es beginnt nun ein neuer Abschnitt meiner Reise. Meine Gastgeber Flora und Vazul arbeiten beide für den Fahrradverkehr in Budapest. Sie sagen: “Nur die Fahrradroute von Wien hierher hatte erste Priorität. Der Weg ab hier zum schwarzen Meer höchstens dritte oder vierte.” Also: das Abenteuer fängt an!

Schnell bin ich auf dem platten Land angekommen. Ungarn liegt in einem Talkessel: Das Karpatenbecken (Pannonisches Becken) ist eine ausgedehnte Tiefebene. Es ist beeindruckend, wie groß und weit der Horizont hier ist, von einer Seite meines Blicks bis zur anderen sehe ich Wolken, sehe ich Regen in der Ferne. Ich sehe Felder, kleine Bauernhöfe und immer wieder die Donau.

Ungarn ist außerhalb von Budapest sehr ländlich. In meiner Wahrnehmung ist Ungarn hier ein ganz anderes Land. Andere Menschen, andere Gebäude, andere Straßen, sogar eine andere Sprache, denn in Budapest spricht jeder Englisch. Zum Teil bläst der Wind auf freier Strecke so stark, dass ich schräg liege. Gar nicht ungefährlich, besonders, wenn auf der Strase mal ein LKW vorbeifahrt!

Ich begegne vielen Menschen. Sándor und Enes winken mir aus ihrem Garten zu, in dem neben Gemüse auch Weinstöcke stehen: Sie wollen mir Wasser geben. Enes’ Großeltern stammten aus Schwaben, sie haben ihm damals Deutsch beigebracht. Bis heute spricht er fast flüssig – mit leichtem Akzent.

Ich treffe Kai, Kilian, Carla und Luisa. Alle aus Deutschland, Mitte 20 und im Studium. Sie sind auch mit dem Fahrrad unterwegs. Carla und Luise wollen nach Istanbul, Kai und Kilian weiter nach Osten, genau wie ich. Wir fahren einige Stunden gemeinsam. Dann bleibe ich weiterhin auf der Donau-Insel, sie folgen ihrer Karten-App aufs Festland.

Als ich später anhalte, um meine Karte zu studieren, stoppt ein Auto neben mir. Anita und Zóltan fragen auf ungarisch, ob sie helfen können. Als wir nicht weiter kommen, da sie kein Englisch oder Deutsch sprechen (und ich kein Ungarisch), wird schnell ihre Freundin Andrea zum Dolmetschen angerufen. Nachdem dann meine Route geklärt ist, stehen sie an jeder Abzweigung, jedem Kreisel, um mich durch die Umleitung wegen einer Brückensperrung zu lotsen. Anita fährt selber viel Rennrad und ist sehr froh, mir helfen zu können.
Solch Einsatz ist kein Einzelfall. Mir ist das manchmal fast zu viel. Ich suche mir ja gerne selber meinen Weg. Dieser landet dann allerdings manchmal in der Wildnis, manchmal auch an perfekten, verstecken Orten. Auch das ist etwas, was ich auf der Reise lernen möchte: Mich einlassen, überraschen lassen, mir helfen lassen!

Nach zwei Tagen im ländlichen Ungarn komme ich langsam in meinem Flow an. Es ist mir egal, wie viele Kilometer ich fahre, ich weiß nicht, wie weit die nächste Stadt entfernt ist. Ist ja auch egal, ich habe genügend Essen und Wasser und alles andere, was ich brauche. Am Linzer Dom las ich, dass man dort eine Eremitenstube im Turm mieten kann, um sieben Tage in der Einsamkeit zu verbringen (Kostenpunkt 750€). Den Wunsch danach kann ich sehr gut nachvollziehen und lebe ihn hier auf meiner Radtour sehr viel kostengünstiger aus!

Ich genieße die Stille, höre nichts, nur den Wind und die Vögel. Mehr als 100 km fahre ich alleine auf dem Donaudeich, meist auf Asphalt, mal auf Schotter, selten auf Gras. Direkt neben mir wunderbare Auenwälder, alles Naturschutzgebiet. Es wird grün! Als die Sonne herauskommt, merke ich ihre Stärke, wie sie mich auf der schwarzen Hose wärmt!

Wenige Städte liegen an meinem Weg. Baja zeigt ein wenig Tourismus mit einer bunten Strandpromenade, in der jetzt allerdings noch die allermeisten Buden geschlossen haben. Als ich an einem Fußballspiel vorbeikomme, nutze ich dies für eine kurze Pause und schaue zu. In Mohács nehme ich die Fähre auf das andere Ufer. Dann naht die Grenze nach Kroatien. An der letzten Tankstelle gebe ich die restlichen Forint fur Erdnüsse aus. Schon wieder verabschiede ich mich von einem Land. So schnell ist man wieder hinaus! Schon wieder kommt eine neue Sprache, eine neue Währung. Ich freue mich schon auf die Türkei, in der ich bestimmt einen Monat bleiben werde!

8 Kommentare

  • Tina Violka

    Liebe Anke…ich erahne genau was Du spürst…die Stille…die Einsamkeit…die Natur…und ein bißchen „Scheißegalgefühl“…genau das habe ich auch gespürt auf meinem Weg…und das ist unbezahlbar… LOSLASSEN…ZULASSEN…SICH EINLASSEN…das sind die 3 Knoten am Bande des TAU-Kreuzes…das steht für FREIHEIT…KRAFT…OFFENHEIT..!
    Ich wünsche Dir, dass Du das finden wirst….und ausserdem noch „Schöne Ostern“ und danke für die tollen Fotos!!!!

  • Herbert

    Hallo Anke,
    tolle Bilder und vor Allem wunderbar informative und erfrischende Texte. Es macht mir riesigen Spaß und vor allem bin ich sehr dankbar, Dir auf diese Weise zu folgen.
    Weiter so und weiterhin eine gute Reise.
    Grüße
    Herbert

  • Michael Weisker

    Sehr schöne Berichte, mit der man gute Eindrücke von neuen Landschaften und Leuten gewinnen. Es ist so als wäre man selber dabei. Vielleicht fahre ich im Alter auch nochmal um die Welt außerhalb Zyperns😉

  • Papa

    Wieder sehr schön und die Seite mit der Reiseroute ist jetzt noch schöner.
    Frohe Ostern (gregorianisch, in einer Woche julianisch)!

  • Erika Ann

    Liebe Anke, mich berüht es wie Du mit den verschiedensten Menschen in Kontakt kommst und dich auf sie einlässt. Das weckt auch in mir die Lust auf Reise und Abenteuer. Einen begegnungsreichen und inspirierenden weiteren Weg wünsche ich Dir! Ich freue mich in meinem Kopf mit Dir mit zu reisen. Erika

  • Kathrin

    Ja, im Kleinen haben wir das damals auch erlebt: kaum bist du mit dem Rad unterwegs und mit Gepäck beladen, finden sich immer Menschen, die dir helfen möchten, das war wunderbar. Völkerverständigung pur!

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