gen Osten,  Balkan

Eisernes Tor

10.-12.4.2023

Nachdem ich an der Ruine der mittelalterlichen Festung Golubac, einst Schauplatz berühmter Schlachten, vorbei gefahren bin, beginnt die beeindruckende Schlucht dann wirklich. Die Donau fließt auf ihrem Weg zum Schwarzen Meer auf einer Länge von 600 km durch Serbien, hier nun bildet sie die Grenze zu Rumänien. Mich für eine Seite zu entscheiden, finde ich jedesmal schwierig. Es gibt sehr selten Brücken und Fähren, so dass man nicht ständig hin und her wechseln kann. Auf serbischer Seite befindet sich der Nationalpark Djerdap, außerdem möchte ich Serbien noch nicht verlassen, ich bleibe also!

Das Eisernes Tor gilt als einer der imposantesten Taldurchbrüche Europas und war in früheren Zeiten der gefährlichste Teil der Donau. Ihr Bett verengt sich auf dem Weg durch die Südkarpaten und der Verlauf des Flusses wird an dieser Stelle von den bis zu 600 m hohen Felswänden beherrscht. Am Cazan (= Kessel) wird die Donau auf 200 Meter Breite verengt, kurz vorher war sie noch 6km breit! Das führt zu einer unglaublichen Tiefe von 90 Metern. Diese wird durch große, sichtbare Strudel auf der Wasseroberfläche deutlich.

Die Strecke ist wirklich atemberaubend schön! Mal direkt am Fluss, mal über die hohen Klippen, ab und zu ein Tunnel. Ich möchte selbst bergab langsam fahren, um alles genießen zu können! Als mir Guillaume entgegen kommt, winkt er mich zum Gespräch heran. Er fährt seit einem halben Jahr durch Europa und freut sich nach langer Einsamkeit über eine Radfahrerin. Ich freue mich ebenso über ihn!
Ich war unsicher, wo ich hier zwischen Fluss und Felswand einem Schlafplatz finden würde. Doch es ergab sich wie ein Geschenk: ein traumhafter Platz unterhalb der Straße direkt am Wasser mit Steg und zwei Bäumen für meine Hängematte. Dazu Blick auf Sonnenunter- und -aufgang 🤩😍😌

Es gibt hier noch Überreste der Straße, die von den Römern unter Kaiser Trajan erbaut wurde, um auf ihr die Schiffe zu treideln. „Trajans Tafel“, die an deren Bau erinnert, befand sich eigentlich 1,5 m oberhalb der römischen Straße an der Donau. 1969 wurde die Tafel zusammen mit einem Teil der Straße in eine höhere Lage verlegt, um sie vor dem, infolge des Baus des Wasserkraftwerks von Đerdap gestiegenen Wasserpegel, zu schützen (ja, auch hier wieder ein Kraftwerk).

Der Inschrift folgend wird angenommen, dass ein Teil der Straße von Đerdap im tiefer gelegenen Abschnitt der Schlucht im Rahmen des von Trajan geplanten Krieges gegen die Daker gebaut und dieser letzte und schwierigste Teil 100 n. Chr. fertig gestellt wurde. Der Bau der römischen Straße und die Vielzahl an Festungen verweisen auf die Bedeutung von Đerdap für das Römische Reich bis zur endgültigen Eroberung Dakiens zu Beginn des zweiten Jahrhunderts.

Übersetzt lautet die lateinische Inschrift der Tafel des Trajana „Imperator Caesar, Sohn des göttlichen Nerva, Nerva Trajan Augustus, Sieger über die Germanen, oberster Priester, zum vierten Mal zum Tribun ernannt, Vater des Vaterlandes, Konsul der dritten Zeit, hat Felsen ausgegraben und aus Holzbalken diese Straße gefertigt.“

Ich hätte sie gerne gesehen, doch Wanderungen sind im Nationalpark nur mit Führer gestattet. Der Weg war so deutlich abgesperrt, da wollte ich nichts riskieren. Noch älter sind die Fundstücke in Lepenski Vir: Aus der Steinzeit stammen die Überreste der Siedlung hier im Eisernen Tor. Besonders bekannt und speziell sind die 8000 Jahre alten „Fischköpfe“. Durch umfangreiche Steinbrucharbeiten zu vielen Zeiten ist immer wieder versucht worden die Gefahren hier zu entschärfen. Gegenüber am rumänischen Ufer ist von weit eine aktuellere Bildhauer-Kunst zu sehen: Die Statue von Decebalus, dem letzten König von Dakien, ist dort 1994-2004 für Millionen Euro in die Wand gemeißelt worden und ist nun mit 55 Metern die höchste Felsskulptur in Europa. 

Die Trajansbrücke wurde zwischen 103 und 105 n. Chr. von römischen Truppen zur logistischen Unterstützung des zweiten von Kaiser Trajan organisierten Feldzuges gegen die Daker erbaut und war die erste dauerhafte Brücke über die untere Donau. Mit einer Gesamtlänge von über 1,1 km war sie damals die längste erbaute Brücke der Welt und blieb dies über ein Jahrtausend lang! Nach einer weiteren Nacht in der Hängematte in der Nähe ihrer Reste fahre ich weiter, nun durch ein wieder weites Tal. Das Eiserne Tor ist durchquert! Als ich gegen Mittag einen kleinen Stopp mache um mich einzucremen, fährt Mitchell zu mir auf. Er kommt aus Holland, hat seine Arbeit gekündigt und will auch nach Osten radeln. Wir fahren gemeinsam eine ruhige, etwas holprige Straße am Ufer, die uns die große Straße erspart, dafür aber gefahrloses Nebeneinanderfahren ermöglicht. Mitch kocht gerne tagsüber, er liebt die Pause im Hellen und dass er dadurch abends schnell ins Bett kann. Er lädt mich ein, ihm Gesellschaft zu leisten. Das nehme ich natürlich dankbar an, denn Hunger habe ich seit einiger Zeit ständig. Ich habe noch rote Bete und Pesto, er Paprika und Auberginen – und zwei große Töpfe! – so dass es ein wahres Festmahl gibt. Ich mag es sehr, mir abends etwas zu kochen und mit warmem Essen ins Bett zu gehen. Aber wer weiß? Vielleicht schaue ich mir auch dieses Ritual von ihm ab.

In Negotin trennen sich unsere Wege wieder, da ich noch nach einer Gas-Kartusche und Rosinen schauen möchte. In einem China-Shop (die heißen hier wirklich so! Es gibt da so ziemlich alles, außer Lebensmittel) finde ich Gas, habe aber nicht mehr genügend Bargeld. Einen Tag vor der nahenden Grenze zu Bulgarien so wenig abzuheben, würde mehr Gebühren kosten, als ich Geld brauche. So verzichte ich wehmütig, passende Kartuschen gibt es hier nicht so oft. Im Supermarkt kaufe ich Nachschub für mein Studentenfutter und weitere Verpflegung, dort kann ich mit Karte bezahlen. Als ich auf der Bank in der Sonne sitze und die erste Hälfte des Einkaufs gleich vor Ort verzehre, kommt Bojan vorbei. Er lädt mich ein, bei ihm im Guesthouse zu schlafen! Eigentlich war mein Plan, heute Abend meine restlichen GB der Simkarte auszunutzen, doch ich komme mit ihm. Was für ein Glück: Bojans Camp ist hier eine Zentrale für Radfahrer! Außer einem Tennisplatz gibt es im Innenhof ein festes Zelt mit Matratze, dass er mir anbietet. Echtes Glamping! Freigiebig teilt er seine Reinigungsmittel, so dass ich meine Kette gründlich säubern kann. Auch den Salat, für den ich eingekauft hatte, kann ich hier nun problemlos zubereiten. Im Sommer ist es hier wohl richtig voll, heute Nacht bin ich die einzige Radfahrerin.

Am nächsten Morgen wache ich früh auf und freue mich über das helle, geräumigen Zelt mit der weichen Matratze. Ich setze mich raus und trinke in der Sonne einen Tee, ganz ohne Gedanken an den Gasvorrat, ohne Gedanken, ob das Wasser reicht. Bojan kommt auf einen Plausch vorbei, hier im Hof ist es windstill und dadurch richtig warm. Ich genieße den faulen Vormittag, packe in Ruhe, rede mit anderen Gästen, schwelge in den Fotos eines Bildbandes, der dort auf der Veranda liegt. Irgendwann bin ich fertig und verabschiede mich von Bojan und seiner Familie. Ich lasse meine nun bald überflüssige serbische Simkarte bei ihm und tausche einige EuroMünzen, die ich noch hatte, gegen serbisches Bargeld, um die GasKartusche kaufen zu können. Dankbar fahre ich los, nach Bulgarien!

You are leaving Serbia. Don’t cry because it’s over – smile because it happened 🙂

We wish your bike to always have tires full of air, and chain always ready to transfer your dreams to roads and paths. Have a nice rolling in beautiful Bulgaria 🙂

12 Kommentare

  • Papa

    Wieder begeistert von Deinem Bericht.
    Wieder enttäuscht von meinem schlechten Gedächtnis.
    Soviel vergessen von meiner Radtour durchs Eiserne Tor vor 35 Jahren.

  • Erika Ann

    Liebste Anke, ich freue mich so sehr über Deine beständigen Berichte deiner Reise, die meinen Alltag erhellen und meine Neugier und Abenteuerlust wecken bzw. befriedigen. Danke fürs Teilen deiner Eindrücke und Bilder. Erika aus Hannover

    • Richard Schmidt-Fellner

      Hallo Anke,
      Ich habe mich jetzt bei Dir in der Mailingliste angemeldet und muß sagen:
      es war die richtige Entscheidung.
      So viele Eindrücke, bestechende Fotos und Deine sehr guten Berichte dazu, das ist wirklich einmalig.
      Weiter so.
      Liebe Grüße
      Richard

  • B.Mazurek-Nagelschmidt

    Hallo Anke, einen herzlichen Gruß. Du hast ja wunderbare Bilder und offensichtlich ganz viel Spaß an deiner Tour. Es beeindruckt mich sehr wie du die Tuor beschreibst. LG Bärbel

  • Dieter Borsum

    Liebe Anke,
    meine Bewunderung an Dir und Deiner Radtour ist in das Grenzenlose gewachsen. Danke für die vielen Info`s
    und die guten, übersichtlichen Fotografien.
    Ich wünsche Dir weierhin viel Freude, gutes Wetter, nette Bekanntschaften und gute Gesundheit.
    Liebe Grüße, Dieter Borsum aus Wirringen.

  • Nina

    Hallo Anke!
    Einfach wow – ich bin begeistert von den tollen Beschreibungen und Bildern. Vielen Dank fürs Mitnehmen auf Deiner Reise und Teilen. Ich bewundere Deinen Mut und wünsche weiterhin eine gute Zeit und alles Gute!
    Herzliche Grüße aus Burgwedel
    Nina

  • Camelia Müller-Eberstein

    Liebe Anke, heute haben wir dich als Passagiere in einem Auto kurz vor Enisala überholt und später in Jurilovka wieder erkannt (mit deinem Gepäck am Rad nicht zu übersehen)! So viel Bewunderung für deinen Mut, wo hier auf Schrit und Tritt Unerwartetes passiert: soll ich stehen bleiben, wenn die Hunde hinter mir sind aber nicht bellen, wie komme ich weiter, wenn auf dem einzigen Weg eine ganze Menge Kühe und was von Weitem wie Hunde aussah in der Nähe kleine Kälber sind und wie verhalten sich wilde Pferde, die in dem Sumpf der Donau Delta mal in kleinen Gruppen, mal zu Hunderten auftreten?

    • KAHo

      Liebe Camelia, danke, dass ihr mich angesprochen habt! Solch Begegnungen machen meine Reise wertvoll.
      Ich bin gespannt, was das Unerwartete mit sich bringt und die wilden Pferde und Rinder waren wirklich ein Erlebnis!
      Euch alles Gute, Anke

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