gen Osten,  Rückblick

Rückblick November

Innehalten, Pause machen, zurückblicken, in sich schauen. Am Ende jeden Monats nehme ich mir bewusst Zeit für ein Zwischenresümee. Hier nun der November:

30 Tage, 30 Nächte – Zeit für mich, Zeit zum Fahrrad fahren, Zeit für China!

2100 Kilometer in 3 Ländern (TJK, KGZ, CHN). (Die Kilometer in Kirgistan waren überschaubar (~150), für mehr war es mir zu kalt. Mich zog es in den Süden. Das war eine schwere Entscheidung. Doch man verpasst eh immer das meiste…)

1 Ruhetag in Murghab, einer in Sary-Tash, jeweils 2 in Kashgar und Xi’an. 

Kosten: ~400€  China ist eines der teueren Länder meiner Reise, insbesondere Eintrittsgelder waren ein großer Posten. Dazu kam die Zugfahrt und 7 Hotelübernachtungen, so viele hatte ich noch nie. (Ab August habe ich meine akribische Buchhaltung aufgegeben. Angaben also ohne Gewähr 😊)


Womit bin ich zufrieden?

  • Ich habe China erreicht – es ist der Wahnsinn – Land Nr. 19! So viele Kilometer, so viele Tage, so viele Erlebnisse, so viele Begegnungen! Und es war gar nicht schwer. Jeden Tag ein bisschen – genau so viel, wie es gut tut, genau so viel, wie es passt, genau so viel, wie ich möchte. Was für tolle Parallelen kann man da auf das Leben ziehen! In anderen Berichten lese ich oft die Formulierung: „Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe!“. Ich bin da anders. Mir war immer klar, dass ich das schaffe, wenn ich es möchte. Es war kein Muss, ich habe vor der Abreise gesagt und auch ehrlich gemeint: „Selbst wenn ich nur in der Türkei und Georgien bleibe, ist es ein gutes Jahr“. Doch nun bin ich hier, in diesem Land, das eigentlich mehr ein ganzer Kontinent ist, voller neuer Kulturen, die es gilt zu entdecken. 
  • Ich habe meine erste Krankheit bekommen und gut überstanden. Nach einigen Tagen in China bekam ich Halsschmerzen, die ich anfangs gar nicht richtig ernst nahm. Doch dann entzündete sich erst das eine, dann auch das andere Auge. Knallrote Augäpfel, dick geschwollene Lider, eitriger Ausfluss, dass ich morgens kaum die Augen öffnen konnte, so verklebt waren sie. Das alles war neu für mich, ich hatte es noch nie. Ich wusste nicht, wie gefährlich das ist und wie sich die ganze Sache entwickeln wird. Die Verständigung in China ist sehr schwer. Gerade im Nordwesten spricht eigentlich niemand englisch. Die Übersetzung mit Apps auf dem Handy reicht für die Altagskommunikation. Doch wie soll das bei medizinischen Fragen gehen? Nach nur ein, zwei Tagen ging es dem ersten Auge deutlich besser, so dass ich zuversichtlich war. Ich setzte für eine Woche mit dem Tragen der Kontaktlinsen aus (auch das eine neue Erfahrung), dann war es auch schon wieder vorbei. Wenn ich keine Fotos davon hätte, käme es mir fast wie ein Traum vor. Einige Zeit sah ich mit den Augen verschiedene Farbintensitäten. Doch auch das hat sich inzwischen nahezu gegeben. 
  • Ich bin sehr dankbar, dass ich bisher so gesund war! Gerade in der Zeit der Krankheit habe ich erst richtig gemerkt, wie anders diese Reise sonst gewesen wäre. Am meisten beeinträchtigte mich eigentlich die Sorge, dass es etwas Ernstes sein könnte. Die Frage, wann man zum Arzt geht oder ins Krankenhaus und vor allem in welches? Diese Überlegungen kenne ich zwar auch aus Deutschland, doch im Ausland ist es natürlich um ein Vielfaches komplizierter.
  • Ich muss hier in China sehr viel mehr von mir aus auf Menschen zugehen. Das ist ungewohnt nach den vielen Ländern, in denen man ständig gegrüßt, angesprochen und umringt wird, sobald man das Fahrrad stoppt. Doch wenn ich es dann tue, sind die Menschen sehr freundlich, dankbar und hilfsbereit. Dies entspricht wahrscheinlich eher auch der deutschen Mentalität, von daher bereitet es mich ein wenig auf die Heimkehr vor und ist ein gutes Training. Ich bleibe dran!

Was besser sein könnte

  • Noch immer frage ich mich, wie ich zu meiner Krankheit kam. Waren es die Keime vom Viehmarkt? Habe ich mir in dem ersten Hotel etwas eingefangen? Hätte ich mich noch besser ernähren können? Es wäre schön, wenn man es selbst in der Hand hätte, Krankheiten zu vermeiden. Meine Auseinandersetzung mit dem Thema Kranksein zieht sich schon nahezu mein ganzes Leben lang hin. Zu meinem Selbstbild gehört es, gesund zu sein. Dieses Thema wird mich bestimmt noch eine Weile nach meiner Rückkehr beschäftigen.
  • Ich bin zum ersten Mal Zug gefahren. Ende November habe ich mich entschlossen ca. 2000 km zu überbrücken. Bis dahin fuhr und fuhr ich Tag um Tag, doch es wurde einfach nicht wärmer. Obwohl ich inzwischen 3000 Höhenmeter tiefer radelte als im Pamir-Gebirge, war die Kälte hier sehr viel unangenehmer. Die Sonne schien nur wenige Stunden am Tag, wenn überhaupt. Ich sehnte mich nach Wärme, doch diese war viele 1000 km entfernt. Von Turpan nach Xi’an nahm ich also den Zug, mein Fahrrad musste extra mit einer Spedition fahren. Eine Strecke meines Weges zu überspringen war neu für mich. Ich habe hinterher sehr deutlich gemerkt, wie mir die Erfahrung, diesen Weg selber zurückzulegen, gefehlt hat und bin sehr glücklich, dass ich bis dahin die ganze Strecke selber fahren konnte. Der Spruch, dass beim Reisen mit dem Zug/Auto und noch mehr dem Flugzeug die Seele nicht hinterher kommt, ergibt für mich Sinn. Umso wachsamer bin ich, dass ich mich auf meine Rückreise mental gut vorbereite. 
  • Hier in China fühlte ich mich einsam. Nicht durchgängig, nur ab und zu. Aber doch zwischen all den vielen Menschen mehr als in der Einsamkeit im Pamir. Die Sprachbarriere hat mich belastet. Noch immer kann ich es mir nicht ganz erklären, denn natürlich war die Verständigung in vielen anderen Ländern auch nicht problemlos. Wahrscheinlich ist es ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren: Meine Reise geht dem Ende zu, der Abschied steht bevor. Nach neun Monaten bin ich nun voll. Bestimmt nicht der beste Zeitpunkt in dieses riesige, faszinierende, spannende, herausfordernde Land zu kommen, auch im Hinblick auf die Jahreszeit. 

Was ich mir wünsche

  • dass ich es auch die letzten Wochen schaffe, mich nicht zu hetzen. China ist riesig, voller unfassbar schöner und spannender Gegenden, die mich reizen, sie zu befahren und zu entdecken. Doch ich merke, dass es langsam genug ist für jetzt und ich mich mehr nach Ruhe zum Denken und Verarbeiten sehne.
  • dass ich eine gute Entscheidung treffen kann, ob ich zum Abschluss noch einen Monat nach Neuseeland zu meiner Tochter Jolin fliegen werde. Ist es ein guter Abschluss dort gemeinsam Weihnachten, den Jahreswechsel und ihren Geburtstag zu feiern oder ist es zu viel und eher an der Zeit, China zu genießen und Orte der Ruhe zu suchen? So ganz um die Ecke wie es aus Deutschland scheint, ist Neuseeland von hier ausgesehen dann doch nicht.
  • Viele Menschen fragen, wie sie meine Reise unterstützen können. Ich selber bin gut versorgt. Doch wer gemeinsam mit mir hier vor Ort Menschen, die es benötigen, helfen möchte, kann über die Plattform „buy me a coffee“ eine finanzielle Spende leisten. Ich erzähle gerne, wie ich das Geld weitergegeben habe. https://www.buymeacoffee.com/ankeR

11 Kommentare

  • Erika Ellner

    Liebe Anke,
    da ich selbst schon in Lhasa und von dort aus unterwegs war (mit Fahrer und Guide), war (und bin) ich sehr gespannt wie du dieses Land mit all seinen Verletzungen unserer gewohnten Menschenrechte empfindest. Mich wundert es nicht, dass du dich einsam fühlst, obwohl es genügend Menschen gibt.
    Eine Frau mit Fahrrad! Klar müsste man denken, dass sich die Menschen interessieren. Leider geht „China“ weder mit den „richtigen“ Chinesen gut um, ganz zu schweigen mit Volksgruppen (wie zb. Uiguren, Tibetern …?). Das lässt die Menschen verschlossen werden, ist meine Meinung. Ich bin total gespannt auf deine weiteren Erfahrungen.
    Die Idee nach Neuseeland zu reisen, Weihnachten und den Jahresschluss dort zu verbringen finde ich eine fantastische Idee. Du schaust was dir gut tut, natürlich. Ich wollte dir nur meine spontane Idee dazu mitteilen. Aus dem Bauch heraus war das halt meine!
    Alles Gute für die Weiterreise, bleib gesund liebe Anke und viel Freude wünscht dir Erika aus Bamberg 🤗🤗🤗

  • Frank

    Respekt, auch für die Reflexionen. Ich bin der Ehemann von Angela (Hauschka…) und verfolge Ihre/deine Reise mit viel Freude. Bin im Mai zum Gardasee gefahren, auch allein, aber irgendwie ganz anders, mit anderem Komfort und doch oft ähnlich. Also viel Freude weiterhin und: es war für mich ganz phantastisch am Ziel der Reise auf eine geliebte Person zu stoßen, in meinem Fall Angela. Also vielleicht NZ?!! Alles Gute, Frank.

  • Michael Weisker

    Hi Anke! Wieder mal danke für den Bericht und komm gesund wieder. Ich würde auf jeden Fall den Trip nach Neuseeland mitnehmen, denn es ist ein wunderschönes Land, wie ich aus eigener Anschauung erleben durfte. Und wenn frau schon so weit gekommen ist, sollte man nicht vor dem Gipfel umkehren😉 Hope to see you in 2024!

    LG Michael

  • Papa

    Vielen Dank für das verfrühte Weihnachtsgeschenk, das Du uns mit Deinem Bericht gemacht hast.
    Ja, in der Tat „Du hast China erreicht – es ist der Wahnsinn“. und das mit dem Rad über den Pamir Highway. Das kannst Du nicht mehr toppen, egal was Du jetzt machst. Ich weiß, dass Du keine Ratschläge von uns (Deinen Eltern) erwartest. Kriegst Du auch nicht, ich erzähle nur von unserer Wanderung auf dem Franziskus-Weg von Assisi nach Rom. Nach 3 Wochen war klar, dass wir es (fast) geschafft hatten. Da sind wir entspannt in den Zug gestiegen, sind bis zum Bahnhof Termini gefahren und haben die letzten Tage in der ewigen Stadt genossen.
    Genieß auch Du die letzten Tage und komm heil und glücklich wieder.
    Papa

  • Janina

    Hallo Anke!
    Ich bin eine ehemalige Kollegin, inzwischen Freundin, deiner Mutter.
    In diesem Jahr habe ich dich begleitet- und immer wieder warst du bei uns zu Hause „Tischgespräch“.
    Beeindruckend, wie akribisch du dich über lange Zeit vorbereitet hast! Und mutig deinen Traum genießen konntest.
    Deine Reiseberichte werden mir 2024 fehlen…
    Einen lieben Gruß
    Janina

  • Cordula

    Einen wunderschönen guten Morgen liebe Anke, wir haben die Nachricht von einem Erdbeben, ich hoffe Dir geht es gut? Mit besonders HERZlichen Grüßen von Cordula

    • KAHo

      Mir geht es gut!
      Ich habe erst von euch von dem Beben erfahren. Ich war vor knapp drei Wochen in der Gegend der Katastrophe. Inzwischen bin ich gut 1200km davon entfernt.
      Hier habe ich nichts davon mitbekommen. Aber mein Chinesisch ist auch immer noch sehr schlecht🙈

  • Frances

    Liebe Anke,

    welcome to China!
    ,,Mir war immer klar, dass ich das schaffe, wenn ich es möchte. ´´ Super!!!!

    Weiterhin viel vielfältige Erlebnisse in China!

    Frances

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert