Rückblick Oktober
Innehalten, Pause machen, zurückblicken, in sich schauen. Am Ende jeden Monats nehme ich mir bewusst Zeit für ein Zwischenresümee. Hier nun der Oktober:
31 Tage, 31 Nächte – Zeit für Begegnungen, Zeit für mich, Zeit zum Fahrrad fahren, Zeit für große Höhen und Einsamkeit!
1350 Kilometer in 2 Ländern (UZB, TJK). (Eigentlich war es nur in einem, Usbekistan habe ich schon am 3.10. verlassen.)
1 Ruhetag in Samarkand, 1 in Murghab.
Der Monat mit den wenigsten „Ruhetagen“ und mit am wenigsten Kilometer – das lässt Rückschlüsse auf meine Strecke zu. Das Pamir-Gebirge, das den kompletten Osten des Landes Tadschikistan ausmacht, liegt komplett über 3500m Höhe, der höchste Pass (Ak-Baytal) befindet sich auf 4655m. Asphalt gibt es hier nur auf der Hauptroute, dem „Pamir Highway“, der“M41″, und selbst dort nicht durchgängig bzw. sehr schadhaft. Ich bin das Shakdara-Valley über Roshtqala hinauf gefahren und habe je einen Schlenker zum Bulunkul- und Zorkul-See gemacht. Tagesstrecken von 30km und weniger haben die hellen Stunden voll ausgefüllt.
Kosten: ~215€ . Diesen Monat habe ich die bisher meisten Nächte (6) in Unterkünften, in „Homestays“ bei Familien verbracht. Zum einen um mich aufzuwärmen und Essen zu bekommen, zum anderen, weil dies eine gute Möglichkeit ist, die Menschen hier zu unterstützen. Der Tourismus bietet in dieser abgelegenen, kargen Gegend eine Einkommensmöglichkeit, ohne die noch mehr Häuser verlassen wären. (Ab August habe ich meine akribische Buchhaltung aufgegeben. Angaben also ohne Gewähr 😊)
Womit bin ich zufrieden?
- Das Parmirgebirge gehörte von Anfang an zu den Gedanken meiner Reise und nun bin ich glücklich, hier gewesen zu sein. Es ist legendär, nicht nur unter Fahrrad-Reisenden, auch Backpacker, Motorrad- und Autofahrer:innen träumen von dieser Strecke. Zum einen liegt hier die zweithöchste befahrbare Straße der Welt (nach dem Karakorum-Highway, gleich um die Ecke zwischen Pakistan und China). Zum anderen führte hier die Seidenstraße entlang, die träumen lässt von 1001 Nacht, von Karawanen und Forschungsreisenden. Nun liegt es hinter mir. Ich fand die Strecke viel einfacher als erwartet, absolut gut machbar. Auf der Hauptstrecke (M41) ist der Straßenbelag aus westeuropäischer Sicht zwar katastrophal, für die Gegend hier jedoch gut befahrbar. Es gibt Geschäfte, Hostels und genügend Verkehr, dass man selbst bei Problemen nicht verlassen ist. Auch die Nebenstrecken, die ich gewählt habe, haben mich noch lange nicht an meine Grenzen gebracht, weder körperlich noch mental. Das mag zum einen meiner Konstitution gedankt sein, immer schon war ich eher auf Ausdauer als auf Schnelligkeit angelegt. (Der Ratschlag meines Vaters „Pole, pole!“ liegt mir quasi im Blut.) Ich kann gut mit wenig Essen auskommen, weder Kälte noch Einsamkeit machen mir etwas aus. Zum anderen natürlich auch der Vorbereitung durch acht Monate auf der Reise. Die Türkei, Georgien und die beiden Berggipfel haben mich an die Höhe gewöhnt, das tägliche Fahrradfahren hat die richtigen Muskeln trainiert. Trotz der späten Jahreszeit habe ich mehr als einen Monat hier verbracht, einige Täler erkundet und Naturreservate genossen. Es ist weder der Höhepunkt noch der Wendepunkt oder das Ende meiner Reise, aber das Erlebnis hier wird einen besonderen Platz in meiner Erinnerung behalten.
- Immer wieder mit meiner Ausrüstung: Zelt, Schlafsack, Luftmatratze, Kleidung für Tag und Nacht, Kocher und Zubehör, mein Fahrrad samt Packtaschen, Handy und Elektronik – alles hält bisher sehr gut. Durch die nachträglich besorgte Thermoskanne und Stirnlampe merke ich, wie gut unsere Ausrüstungsqualität ist: in meiner alten Flasche blieb das Wasser 24 Stunden warm, in der neuen ist es abends zwar nicht gefroren, doch kalt. Die neue Lampe leuchtet sehr gut, doch nach zwei Nächten ist der Akku leer, meine alte reichte ohne Probleme für zwei Wochen. Das einzige was ich nicht getestet habe, ist die Regenkleidung. Keine fünf Mal habe ich sie angehabt und auch wegen Kälte habe ich bisher weder die Gamaschen noch die Hose nutzen müssen.
- meine Gesundheit hält! Ein Wunder, was unser Körper zu leisten im Stande ist. Meine Rippe war schon nach einigen Tagen schmerzfrei und hat sich selbst bei der Belastung, das Fahrrad mit 55kg steile, steinige Pisten hochzuwuchten, nicht wieder gemeldet. Tage und Nächte über 4000 m Höhe: kein Problem! Weder die ungewohnte Ernährung noch die Temperaturen (deutlich unter -10 Grad nachts im Zelt) noch die Anstrengung haben meinen Körper an seine Grenzen gebracht. Es ist eher so, dass ich das Gefühl habe, dass dieses Leben ihm gerechter wird als das, was ich wie viele andere in Deutschland führe: zu viel Sitzen, zu viel Essen, zu wenig Bewegung. Auch mental entschleunigt das Reisen, das hilft bei mir zu sein, insbesondere hier, wo ich in Ermangelung von Netzabdeckung wenig Zeit mit dem Smartphone verbracht habe.
- mit eurer Geduld, mit der ihr auf neue Berichte, Bilder und Beiträge wartet! Danke für die vielen Nachrichten, mit denen ihr mir euer Interesse bekundet. Danke, dass ich nicht vergessen bin bei so vielen!
Was besser sein könnte
- keine Ahnung, ich bin wirklich glücklich…
Was ich mir wünsche
- Es wird Zeit runterzukommen, langsam „den Sack zuzumachen“, mich auf das Ende vorzubereiten. Ich denke häufiger an das nach Hause kommen, an mein Landen. Noch habe ich einige Optionen und Ideen. Ich wünsche mir, dass ich die letzten Wochen und Monate gut nutzen kann, ich will vermeiden, am Ende abzustürzen. Ich wünsche mir gute Orte, an denen ich mich erholen kann, genießen kann, die vielen Erlebnisse integrieren kann.
- Eine gute Zeit in China. Ich bin aufgeregt und höre einiges von Fahrradfahrer:innen, die bereits dort sind. Nicht alles klingt einfach. Ich erinnere mich daran, wie Vieles, was vorher schwierig erschien, aus der Nähe überhaupt kein Problem war: Das Reisen im Iran, die Organisation der Visa, die Verständigung, die Überquerung der Pässe im Pamir und immer wieder das alltägliche Leben mit Trinken, Essen und Schlafen. Ich bin gewiss, dass dies auch in China so sein wird und freue mich auf viele gute Begegnungen und Erlebnisse.
- Viele Menschen fragen, wie sie meine Reise unterstützen können. Ich selber bin gut versorgt. Doch wer gemeinsam mit mir hier vor Ort Menschen, die es benötigen, helfen möchte, kann über die Plattform „buy me a coffee“ eine finanzielle Spende leisten. Ich erzähle gerne, wie ich das Geld weitergegeben habe. https://www.buymeacoffee.com/ankeR
15 Kommentare
Birgit Kreimer
Ich wünsche dir weiterhin eine ganz tolle Zeit, wunderschöne Erfahrungen und bleib fit und gesund
Frances
Liebe Anke, gute Zeit in China wünsche ich Dir auch! Wir schreiben über WhatsApp bevor Du nach China kommst. LG, Frances
Erika
Liebe Anke,
wir freuen uns immer wieder über deine tollen Berichte über deine Reise. Danke 🤩!
Und jetzt bin ich ganz gespannt über deinen Aufenthalt in China. Was sind deine Ziele, welche Städte/Region möchtest du gerne erreichen?
Liebe Grüße von Erika
KAHo
China ist so groß… Ich habe noch gar keinen Plan, wohin es geht. Ich träume inzwischen von Wärme, doch die ist noch einige tausend Kilometer entfernt von hier. Bisher ist aber alles sehr anders, sehr spannend und aufregend.
eva
Liebe Anke,
vielen Dank, dass du mich auf deine Reise mitnimmst. Ich wünsche dir weiter viel Glück, Gesundheit und neue Erfahrungen, herzliche Grüße
eva
Jörg
„Was besser sein könnte
keine Ahnung, ich bin wirklich glücklich…“
Wenn ich dir eine der vielen Lebensphilosophien zuordnen sollte, würde ich auf die der Stoiker tippen.
Das Glücklichsein ist nach den Stoikern das Äußerste des natürlichen Strebens. Ist sie dahin gelangt, besitzt die Natur das letzte Weswegen und das höchste Gut, nach dessen Erreichen sie nichts mehr wünscht außer, ihr eigentümliches Gut zu behalten und nicht zu verlieren.
Kurz: Die Glückseligkeit ist der „Wohlfluss des Lebens“ (Zenon von Kition, Stoiker)
Und darin schwimmst du wohl gerade. Ich wünsche dir, dass das so bleibt – egal wo auf der Welt du bist und egal mit wem du in Verbindung stehst.
KAHo
„Wohlfluss des Lebens“ – das klingt wirklich gut!
Claudia Bruschke
Du schreibst wie es dir geht und es klingt so wie ich es mir für dich vorgestellt habe, gesund und glücklich und ganz bei dir im Abenteuer! Aber trotzdem, es könnte auch anders kommen, und deshalb freue ich mich sehr für dich, dass es dir so gut geht und alles so gut klappt. Das wünsche ich dir auch für China! Immer wieder schön von dir zu hören 🙂
Michael Weisker
Es hat mich gefreut, wieder was von dir lesen zu dürfen. Viel Spaß in China und weiter gesund bleiben. Jetzt umdrehen wäre ja auch doof😉
Liebe Grüße Michael
Camelia Müller-Eberstein
Liebe Anke, genieße deinen Traum, es ist dein Leben, was andere sich nur als „Traum “ von ihren Leben vorstellen könnten. Und doch, das ist so wahr wie nur die reale Wirklichkeit in unserem Leben sein kann. Ich drücke dich vom Herzen! (Also ich meine: „ich umarme dich“! (Ah, mein Deutsch)!
Liebe Grüße von Camelia
(in April in der Donau Delta unterwegs gewesen)
KAHo
Danke! Ich erinnere mich noch gut an euch! Ich drücke dich zurück 🤗
Papa
Liebe Anke,
Deinen Oktober Rückblick habe ich schon dreimal gelesen und werde ihn (wie die anderen auch) sicher noch oft lesen. Irgendwie ist mein Stimmungsbarometer danach einige hPa (=mbar) höher. Dass Du mental und physisch so gut drauf bist, freut mich, aber überrascht mich nicht wirklich. Erstaunt bin ich eher, dass Dein Fahrrad alles so gut übersteht. Noch kein Speichen- oder Kettenriss? Kein Loch in den Reifen, nur in der Luftmatratze? Möge es bis zum Gelben Meer (?) so bleiben.
SLG, Papa
KAHo
Ich hatte auf 13500km keinen einzigen Platten, wirklich unglaublich! Ebenso keine Speiche gerissen und auch die Kette hält noch. Dies natürlich auch Dank der guten Ersatzteile, die ihr mir nach Georgien geflogen habt!
Inzwischen wackelt das Tretlager und auch die Vorderrad-Nabe, doch ich bin guten Mutes, dass beides noch eine Zeit lang hält.
Die Luftmatratze dagegen lässt schon wieder Luft. Das nächste Hotel muss ich zur Suche des Mini-Loches nutzen.
Valérie
Hello Anke, happy to know you are well. I really hope you finish your travel in China. You are the best, strong woman.
Valérie, un thé à Samarcande
KAHo
Valérie Cherie!
I’m so happy to meet you in Buxoro and Samarkand 🥰
You are a really brave woman! Keep traveling! Perhaps to China? It’s amazing here 😁